Unter dem Hashtag #straßenumfrage finden sich bei TikTok derzeit 2,8 Billionen Beiträge und auch auf YouTube verzeichnen entsprechende Kanäle hohe Zahlen an Abonnent*innen. Während solche Formate im Fernsehen und Radio schon lange fest etabliert sind, können Straßenumfragen in den sozialen Medien laut einer Analyse von jugendschutz.net ein Einfallstor für Hate Speech und Diskriminierung sein. Abwertende Aussagen werden oftmals mit mehr Klicks „belohnt“ und somit von einigen Content-Creator*innen bevorzugt in ihre Beiträge eingebaut. Die Befragten werden somit häufig auch selbst zur Zielscheibe von Cybermobbing und Belästigung online.
Gerade auf junge Menschen können solche Formate anziehend wirken, da sie so leicht Teil der Beiträge ihrer Lieblings-Influencer*innen werden und Anerkennung in ihrer Peergroup gewinnen können. Außerdem ist es wahrscheinlicher, dass Kinder und Jugendliche Creator*innen auf der Straße erkennen als Erwachsene. Deshalb filmen manche Influencer*innen gezielt an Orten, an denen sich Kinder und Jugendliche gerne aufhalten. Sie wollen deren spontane, ungefilterte Reaktionen und unüberlegte Aussagen und Handlungen festhalten, selbst wenn diese diskriminierende oder hassschürende Bemerkungen beinhalten. Später gestalten sie ihre Videos zusätzlich durch Schnitttechniken, reißerische Thumnails, Beitragstitel und nachträglich hinzugefügte Kommentare noch „unterhaltsamer“, um ihre Klicks bzw. die Reichweite und Sichtbarkeit ihre Inhalte auf Kosten der Betroffenen zu maximieren.
Anders als in herkömmlichen Umfrage-Settings ist in den sozialen Medien jedoch im Nachhinein schwerer nachweisbar, ob die Befragten zum Interview zugestimmt haben, überhaupt alt genug zum Erteilen ihres Einverständnisses sind oder ob Inhalte im Nachgang manipuliert worden sind. Dennoch führt die bloße Teilnahme an Straßenumfragen in den Kommentarspalten unter den Videos oftmals zu Beleidigungen und diskriminierenden Bemerkungen, etwa bezogen auf den Bildungsstand, vermeintlichen Migrationsstatus oder anderweitiger Gruppenzugehörigkeit der Befragten. Da diese in einigen Videos zudem ihre persönlichen Daten preisgeben (z. B. die Profilnamen ihrer Social-Media-Accounts), können solche Kommentare zu langfristigem Cybermobbing ausarten.
Bei der Aufbereitung der Themenkomplexe „Hass im Netz“ und „Cybermobbing“ für den Unterricht können folgende Materialien helfen:
Im Jahr 2024 registrierte die Meldestelle von jugendschutz.net insgesamt 17.630 Verstoßfälle — damit sind es mehr als doppelt so viele Verstöße wie durchschnittlich in den letzten drei Jahren verzeichnet wurden. Das Kompetenzzentrum führt im aktuellen Jahresbericht den enormen Zuwachs an Meldungen in erster Linie auf die steigende Zahl an Fällen sexualisierter Gewalt online zurück. Diese machten etwa 90 Prozent aller Verstöße aus. Aber auch politischer Extremismus, insbesondere in Form von Rechtsextremismus und Islamismus, hat im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Zudem werden die Kommentarspalten unter Videos mit Straßenumfragen in den sozialen Medien vermehrt Schauplatz von Cybermobbing.
Angesichts des derzeit ohnehin stark polarisierten gesellschaftlichen und politischen Klimas ist es besonders wichtig, Kinder und Jugendliche online vor solchen problematischen oder gefährdenden Phänomenen zu schützen, altersgerecht aufzuklären sowie sie für den Umgang mit diesen zu befähigen. Der Bericht betont die Bedeutsamkeit von Medienbildung. Prävention spielt dabei eine zentrale Rolle, aber auch die Unterstützung von Betroffenen und Handlungsstrategien bei Notfällen. Wichtige Anlaufstellen können dabei Schulen und Lehrkräfte, aber auch Familie, Freund*innen und Melde- und Beratungsangebote sein.
Um einen Beitrag zur Aufklärung über diese Phänomene beizutragen, wird Medien in die Schule in den kommenden Wochen drei Blogartikel zu den Schwerpunkten des Jahresberichtes veröffentlichen. In diesen wird nochmals im Detail auf die Erkenntnisse eingegangen und werden weiterführende Materialien für den Unterricht vorgeschlagen. Die Beiträge können nach der Veröffentlichung hier abgerufen werden: