Auf TikTok sind seit einiger Zeit Videos zu sehen und am trenden, in denen Frauen, gekleidet im Stil der 50er Jahre, für ihre Partner backen und kochen. Was könnte daran schon weiter problematisch sein? Die Studienergebnissen des Projektes „Unlearning Anti-Feminism on TikTok“ zeigen: einiges. Denn hinter genau solchen scheinbar harmlosen Lifestyle-Videos verstecken sich auf TikTok — aber auch auf anderen Plattformen wie Instagram oder Snapchat — zunehmend antifeministische Rhetoriken und Narrative.
Besonders Jugendliche und junge Erwachsene sind für derartige Inhalte empfänglich und könnten sich den darin verbreiteten frauenfeindlichen Idealbildern und Ideen annehmen. Deswegen hat die Universität zu Köln gemeinsam mit dem Verein für politische Medienbildung mediale pfade zwischen Juni 2024 und Mai 2025 im Rahmen von „Unlearning Anti-Feminism on TikTok“ präventive Bildungsangebote für die Zielgruppe zwischen 15 und 25 Jahren entwickelt, welche diese in ihrer Handlungsfähigkeit stärken soll.
Die aus dem Projekt hervorgehenden Bildungsmaterialien sind kostenlos und frei zugänglich und basieren auf interdisziplinärer wissenschaftlicher Forschung und explorativen Interviewstudien mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Das Material beinhalten 13 Module, vielfältige und flexibel einsetzbare Methodensets, ein Glossar zu themenrelevanten Begriffen und zwei Workshop-Konzepte für einen kompletten, sechsstündigen Workshop oder einen verkürzten, dreistündigen Workshop. Dadurch kann der Workshop sowohl in formalen Kontexten wie Schulen, Berufsschulen oder Hochschulen als auch in non-formalen Bildungskontexten wie Vereinen oder Initiativen mit zeitlich beschränkten Möglichkeiten eingesetzt werden.
Kontextualisierung, Sensibilisierung und Mobilisierung: Grundvoraussetzungen gegen Antifeminismus
Neben den oben genannten Bildungsmaterialien hat das Projekt zudem 10 empirisch fundierte Handlungsempfehlungen formuliert. Diese richten sich in erster Linie an Lehr- und pädagogische Fachkräfte, können aber auch in der Elternarbeit oder bei der Medienbildung innerhalb der Familie oder des Bekanntenkreises eingesetzt werden.
Im Kern der Handlungsempfehlungen stehen drei Prinzipien: Kontextualisierung, Sensibilisierung und Mobilisierung. Danach müssen Lehrkräfte antifeministische Inhalte in den sozialen Medien erst einmal in den gesamtgesellschaftlichen Kontext einordnen. Gerade Diskurse aus dem rechten Spektrum wirken häufig polarisierend und emotionalisierend, was oft den kritischen Blick auf die realen Konsequenzen von antifeministischen Inhalten online trübt. Man muss auf die persönlichen Perspektiven und Wahrnehmungen der Schüler*innen eingehen, zur Reflexion des eigenen Verhaltens und Mediennutzungsverhalten online anregen und womöglich vorhandene problematische Sichtweisen dekonstruieren und aufarbeiten, ohne Schüler*innen persönlich dafür zu verurteilen. Bei diesem Reflexionsprozess können auch die Unterrichtseinheiten „Dein Medienalltag im Internet“ (30 Min.) und „Wie verhalte ich mich im Netz?“ (15 Min.) von Medien in die Schule helfen. Die Materialien führen Schüler*innen mit gezielten Fragen durch ihren eigenen Medienalltag und animieren zum Überdenken des eigenen Verhaltens in gängigen Risikoszenarien im Netz. Zudem können die Einheiten „Was ist gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit?“ (35 Min.) und „Was ist Hate Speech?“ (20 Min.) Lehrkräfte bei der Erklärung dieser beiden übergeordneten Problematiken, die eng mit Antifeminismus in Wechselwirkung stehen, unterstützen und das Phänomen von Frauenfeindlichkeit weiter in das große Gesamtbild eingliedern.
Jugendliche und junge Erwachsene müssen für die Erkennungsmerkmale von antifeministischen Inhalten sensibilisiert werden. Nur so können sie tatsächliche Lifestyle-Videos von solchen mit versteckten Codes oder unterschwelliger frauenfeindlicher Rhetorik unterscheiden. So ist die 1950er-Ästhetik des zu Beginn beschriebenen Videos in Kombination mit dem starken Fokus auf die traditionelle Hausfrauenrolle beispielsweise ein klarer Indikator für das sogenannte antifeministische „Tradwife“-Genre. Neben spezifischen antifeministischen Codes kann darüber hinaus auch ein breiteres Verständnis von diskriminierenden Darstellungsformen im Internet hilfreich sein. Die Einheit „Mediale Stereotypen“ (25 Min.) geht auf eine Vielzahl solcher Stereotypen ein, während „Inszenierung von Influencer*innen“ (25 Min.) genauer auf die Rolle von Influencer*innen bei der Verbreitung von Gedankengut und Trends und deren Glaubwürdigkeit eingeht.
Darüber hinaus sollten Schüler*innen Antifeminismus nicht nur erkennen können, sondern es müssen aktiv Handlungs- und Diskursstrategien dagegen an sie vermittelt werden. Dabei ist es aber auch wichtig zu betonen, dass es durchaus legitim ist, sich von Diskussionen zu distanzieren, wenn diese keinen Raum für konstruktiven Diskurs bieten oder Grundrechte in Frage gestellt werden. Die Einheit „Wie kann ich mit Hate Speech umgehen?“ (45 Min.) befasst sich mit solchen Strategien gegen Hate Speech im Allgemeinen. Des Weiteren zeigen die Einheit „Wie kann ich demokratisch mitgestalten?“ (45 Min.) und das Modul „Ich im Netz und in der Gesellschaft“ nicht nur individuelle, sondern auch gemeinschaftliche, politische Handlungsmöglichkeiten auf und regen zur Vorstellung einer idealen Netzkultur an. Denn es ist wichtig, dass Jugendliche und junge Erwachsene wissen, dass es reell umsetzbare Alternativen zum derzeitigen Status Quo des Internets gibt, welche sie aktiv mitgestalten können.