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Werkzeugkasten Freie Software

Freie Software in der Bildung

Die Geschichte von Freier Software und Schule ist zumindest in ihren Anfängen äußerst schwierig zu erfassen, da es kaum Quellen für diese Entwicklung gibt. Es ist davon auszugehen, dass es mittlerweile kaum noch Schulen gibt, die keine Freie Software einsetzen. Da sie oftmals kostenlos im Internet verfügbar ist (wie z.B. der Webbrowser Firefox oder der Mediaplayer VLC) und ein hohes Maß an Qualität bietet, ist ein solcher Einsatz für Schulen genauso wie für viele andere Anwender*innen naheliegend.

Geprägt wird das Bild von einer sehr vielfältigen Nutzung Freier Software. Während ein Großteil einzelne Programme (wie Webbrowser, Office-Pakete oder Multimediaanwendungen) meist auf Basis von Windows nutzt, setzen einige Schulen auf freie Betriebssysteme.[1] Wurden umfassende Freie-Softwarelösungen in Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen früher durch engagierte Einzelpersonen umgesetzt und gegebenenfalls durch die ansässige Computer AG unterstützt, so sind heute auch auf dem freien Betriebssystem Linux basierende Komplettlösungen für Bildungszwecke bei kommerziellen Anbietern verfügbar.

Die Lizenzbedingungen Freier Software wirken sich auf die Schule sehr unterschiedlich aus. Sie eröffnen in vielerlei Hinsicht Chancen, erfordern aber auch in manchen Bereichen Aufmerksamkeit und Verantwortungsbewusstsein.

Wirtschaftlichkeit und Soziales

Wer sich mit dem Konzept und den Handlungsoptionen Freier Software beschäftigt, dem sticht das Argument der Wirtschaftlichkeit ins Auge. Da Freie Software oftmals kostenfrei über das Internet zu beziehen ist und keine Lizenzgebühren anfallen, lassen sich Anschaffungskosten senken. Auch wenn große Softwareunternehmen spezielle Konditionen für Bildungseinrichtungen anbieten, so können diese in den allermeisten Fällen nicht mit dem kostenlosen Angebot von Freier Software mithalten. Proprietäre Anwendungen bieten zwar teilweise einen größeren Funktionsumfang, dieser wird im schulischen Kontext jedoch nahezu nie benötigt oder ausgeschöpft.

Die günstigen Anschaffungs- und lizenzbedingten Betriebskosten werden von vielen als ein entscheidender Faktor beim Einsatz von Freier Software in der Schule betrachtet. Allerdings greift diese Einschätzung oft zu kurz, denn die kostenverursachenden Elemente beim Einsatz von Software sind nicht ausschließlich die Lizenzen. Kostenfaktoren sind ebenso Administration, Wartung, Weiterentwicklung und die Schulung der Nutzer*innen. Diese Aufgaben werden teilweise von externen Partnern*innen übernommen, was wiederum Ausgaben für die Schule bedeutet. Selbst die interne Schulung durch das Kollegium kostet Zeit und somit Geld – wenn auch deutlich weniger. Dennoch deuten viele Faktoren darauf hin, dass die Nutzung von Freier Software auf Dauer zu geringeren Kosten führt.

Da eine Freie-Software-Lizenz es grundsätzlich ermöglicht, eine Software auf beliebig vielen Rechnern zu jedem Zweck zu nutzen, ist die Weitergabe an Schüler*innen unproblematisch realisierbar. So haben Schüler*innen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft die Möglichkeit, mit der gleichen hochwertigen Software wie in der Schule zu arbeiten.

Rechtssicherheit

Wer kennt nicht die Kolleg*innen, die zu Hause genutzte Software gerne in der Schule einsetzen würden. Dieser Wunsch ist nicht nur nachvollziehbar, sondern auch legitim. Prozesse lassen sich so reibungsloser gestalten. Lizenzbedingungen von Software lassen, selbst wenn sie kostenfrei verfügbar ist, so einen Schritt nicht immer zu. Oft müssen zusätzliche Lizenzen erworben werden, damit z.B. eine bestimmte Menge an Installationen der Software genutzt werden kann oder der Einsatz außerhalb des rein privaten Umfeldes erlaubt ist.

Freie Software ist sie per Definition erst dann, wenn u.a. die Nutzung zu jedem Zweck und das beliebige Anfertigen von Kopien erlaubt sind. Schulen, die Freie Software nutzen, können sicher sein, dass sie nicht gegen Lizenzen verstoßen, wenn sie die Software beispielsweise auf allen Computern in der Schule installieren oder diese den Schüler*innen für die Nutzung zu Hause weitergeben.

Bezugsquellen

Aufgrund der Lizenzbedingungen Freier Software ist es jeder Person oder Institution möglich, eine Software z.B. als Download auf der eigenen Webseite anzubieten. Was auf der einen Seite komfortabel scheint, ist auf der anderen Seite problematisch. Bei einer einfachen Onlinesuche nach den Begriffen „Download“ und „LibreOffice“ finden sich auf der ersten Seite mehr als fünf unterschiedliche Webseiten, auf denen LibreOffice zum Download angeboten wird.

Rechtlich ist an dem Angebot nichts auszusetzen, da die freie Lizenz jedem das Recht zur Nutzung und Weiterverbreitung einräumt. Trotzdem sollte man sich bei Unsicherheit immer auf das Angebot des Herausgebers der jeweiligen Software verlassen und diese nur dort herunterladen. Sonst kann es z.B. passieren, dass man nicht die jeweilige Software installiert, sondern nur ein Tool zu ihrer Installation. Dieses bietet dann während des Installationsprozesses auch andere Software in Form von Werbung an.

Diese Vorsicht gilt vor allem für die Nutzer*innen der Betriebssysteme Windows und OS X. Die Nutzer*innen von Linux installieren die gewünschte Software über Paketquellen und sind so meist von dieser Problematik ausgenommen.

Abspaltungen

Bei Freier Software ist es erlaubt und erwünscht, sie weiterzuentwickeln und zu verbessern. Wenn sich Entwickler*innen entscheiden, eine Kopie einer bestehenden Freien Software anzulegen und diese ihren Bedürfnissen anzupassen, so spricht man von einer „Abspaltung“ bzw. einem „Fork“. Für die Entwickler*innen sind solche Forks äußerst hilfreich, weil sie für ihre neue Software auf einer bestehenden aufbauen können; für die Nutzer*innen indirekt, weil sie von der Arbeitsersparnis der Entwicklung profitieren. Ein sehr bekanntes Beispiel ist das Office-Paket LibreOffice. Es entstand aus OpenOffice, das mittlerweile nur noch sehr langsam weiterentwickelt wird.

Teilweise ist es schwierig, den aktuellen Entwicklungsstatus und die Schwerpunktsetzung von Softwareprojekten nachzuvollziehen und zu verfolgen. Als Extrembeispiel dienen hier die Linux-Distributionen. Jede der Distributionen hat einen eigenen Fokus und ist für bestimmte Zwecke ausgelegt. Mittlerweile gibt es mehrere Hundert Distributionen. Für Personen, die mit der Materie nicht vertraut sind, kann die Fülle abschreckend wirken. Relativierend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es nur eine überschaubare Anzahl häufig genutzter Distributionen gibt und es sich bei vielen anderen um Nischenprodukte handelt, mit denen man im schulischen Umfeld kaum oder nie in Kontakt kommt.

Unabhängigkeit

Unternehmen sichern ihren Selbsterhalt durch ihr Geschäftsmodell. Hierfür ist es z.B. notwendig, dass ein Kunde, in diesem Fall die Schule, eine Lizenz für das Produkt des Unternehmens erwirbt. Um sicherzustellen, dass der Kunde auch weiterhin das Produkt nutzt, werden die Dateien in einem Format abgespeichert, das nur der Hersteller dieses Produktes vollständig unterstützt. So würde sich ein Softwarewechsel als schwierig oder kostenintensiv erweisen, weil die Kompatibilität der Dateien mit neuer Software nicht sichergestellt wäre. Dieser Effekt nennt sich „Vendor-Lock-in“.

Freie Software gibt die Spezifikationen der Dateiformate frei, sodass Nutzer*innen die Möglichkeit haben, das Produkt zu wechseln, ohne zwangsläufig mit hohen Kosten oder Kompatibilitätsproblemen konfrontiert zu werden. Die Nutzung Freier Software schafft so einen Raum, in dem kommerzielle Interessen zweitrangig sind und Abhängigkeiten von Großkonzernen oder Einzelunternehmen vermieden werden können.

Übereinstimmende Ideale

Die Ideen und Prinzipien, auf denen Freie Software basiert, sind auch in den Konzepten moderner Schulen – wie dem offenen, schüleraktiven Unterricht – zu finden. Wissen teilen, Partizipation und Offenheit sind entscheidende Elemente bei schulischen Arbeitsformen, beispielsweise beim kooperativen Arbeiten. Sie stehen zudem stellvertretend für das demokratische Grundprinzip, welches Teil unseres Erziehungssystems ist. Eben dieses Grundprinzip ist eng mit der Freie-Software-Bewegung verbunden, auch wenn es nicht immer eindeutig und zudem Wandlungsprozessen unterworfen ist. Das macht eine Schule, die Freie Software im Bildungskontext einsetzt, konsistenter in ihrer Ausrichtung und glaubhafter. Ein ganzheitlicher Einsatz von Freier Software kann in der Bildung realisiert werden, denn ihre Prinzipien werden hier nicht nur auf die ideelle, sondern auch auf die technische Ebene übertragen.

Flexibilität

Durch die freie Lizenzierung von Software können die Programme und/oder Betriebssysteme von einer großen Gemeinschaft angepasst und verändert werden. So entstehen auch Lösungen, die für sehr spezielle Anwendungsszenarien gedacht sind. Großer Beliebtheit erfreuen sich sogenannte LIVE-Systeme. Dabei handelt es sich um ein Betriebssystem, welches von einem externen Medium, wie einem USB-Stick oder einer DVD, gestartet werden kann.

Schulen können mithilfe von LIVE-Systemen mehrere typische Probleme auf einmal lösen. Das gravierendste ist der oft unzureichende oder arbeitsaufwändige Support, den ein schulisches Computernetzwerk oft benötigt. Durch ein LIVE-System kann eine einheitliche Lern- und Arbeitsumgebung erzeugt werden, welche nicht nur alle für die Schule nötigen Programme umfasst und zudem am heimischen Rechner genutzt werden kann, sondern auch als USB-Stick äußert praktisch zu transportieren ist. Daten müssen nicht mehr synchronisiert werden, da sie auf dem jeweiligen Stick abgespeichert werden. So reduziert sich der Wartungs- und Supportaufwand für die Schule. Das Vorzeigeprojekt in dieser Kategorie, der „Lern Stick“, stammt von der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz und wird dort am Institut für Weiterbildung und Beratung entwickelt und gepflegt.[2] Zeitgleich ist beim Einsatz von LIVE-Systemen Vorsicht geboten, vor allem wenn sie parallel zu einem bestehenden System genutzt werden. Denn durch das Starten eines eigenen Systems mit Zugriff auf die Festplatte des Rechners öffnet man unter Umständen Korrumpierung Tür und Tor.

Ein weiterer Vorteil sind in diesem Kontext die portablen Anwendungen, die auch unter dem Begriff der „digitalen Schultasche“ bekannt sind. Diese Anwendungen sind ohne Installation direkt vom Trägermedium ausführbar. Durch die Erlaubnis, den Programmcode anzupassen und zu verändern, konnten diese Anwendungen einfacher für solche Zwecke nutzbar gemacht werden.

Freie Software als Werkstoff

In Fachkreisen wird auf die Möglichkeit hingewiesen, dass sich durch den Einsatz von Freier Software als Werkstoff informatische Kompetenzen erwerben lassen. Programmcodes können im Rahmen von Unterricht oder nachmittäglicher AG studiert und angepasst werden. Dies erfordert jedoch ein tiefgreifendes Verständnis der Materie und bietet sich außerhalb des Informatikunterrichts selten an.

Freie Software bietet viele Chancen für die Schule, welche sich direkt oder indirekt aus der Existenz der freien Lizenzen ableiten lassen. Diese erst geben den Nutzer*innen den rechtlichen Rahmen, von Nutzung, Weitergabe und Verbesserung des Programmcodes durch die internationale Gemeinschaft zu profitieren. Trotzdem ist durch die gesteigerte Freiheit auch mehr Verantwortung von Seiten der Schule gefordert.

[1] Ein sehr erfolgreiches Beispiel bietet das Katharineum zu Lübeck.
[2] Mehr Informationen zu dem Projekt und zu den Partnerschulen finden sich unter http://www.imedias.ch/projekte/lernstick