Was macht unsere demokratische Gesellschaft aus? Welche Werte leben wir? Was ist mein Beitrag für ein demokratisches Miteinander? Wie gehe ich mit Rechtsextremismus, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder Hate Speech (dt. Hassrede) um? Erkenne ich diese Gefahren für ein demokratisches Zusammenleben überhaupt und inwieweit sind es Gefahren für ein demokratisches Zusammenleben? Und was kann ich dagegen tun?
Das Unterrichtsthema „Hass in der Demokratie begegnen“ greift die Erfahrungen und Begegnungen (im Netz) der Schüler_innen mit Rechtsextremismus, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Hate Speech auf, um Hintergründe und Zusammenhänge zu beleuchten sowie konkrete Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten.
Im Mittelpunkt stehen dabei die Sensibilisierung für Grenzen und Grenzsetzung innerhalb unserer Wertegemeinschaft, die (Selbst-)Reflexion des eigenen Handelns und immer wieder die Auseinandersetzung mit der Gestaltung unserer demokratischen Werte.
Für Jugendliche ist die Kommunikation im Netz selbstverständlicher Bestandteil ihres sozialen Lebens. Um aktiv und selbstbestimmt die demokratische (Netz-)Gesellschaft mit gestalten zu können, brauchen sie Wissen, Kompetenzen und Reflexionsvermögen für die Einordnung ihrer Position und ihres eigenen Handelns.
„Ab 14 Jahren sind mehr als 70 Prozent der täglichen Internet-Nutzer mindestens ein bis zwei Stunden online. Rund elf Prozent der Befragten, die täglich online sind, verbringen fast jede freie Minute im Internet.“[1] Sie halten sich also einen erheblichen Teil ihrer Freizeit im Netz auf und können hier auf einfache Weise und wiederholt von extremistischen Gruppen angesprochen werden. Auch wenn sie den größten Teil der Zeit mit Freund_innen kommunizieren, sind sie dessen ungeachtet auf der Suche nach neuen Kontakten, Inspiration und Orientierungspunkten. Sie sind in der Phase der Selbstfindung und Persönlichkeitsentwicklung, auf der Suche nach Gruppenzugehörigkeit und in ihren demokratischen Werten noch nicht gefestigt.
„Deshalb ist das Internet ein Raum, in dem junge Menschen leicht radikalisiert werden können. Neonazis nutzen das. Sie treten erschreckend professionell auf und werben unter Jugendlichen gezielt für ihre Ideologie. Der Einstieg in die rechte Szene z.B. über Soziale Netzwerke kann schleichend erfolgen und die Zahl ist kontinuierlich gestiegen.“[2]
Ein zunehmender Rechtsextremismus bzw. rechtsextremes Gedankengut in der Gesellschaft spiegelt sich auch in sozialen Netzwerken und Internetdiensten wieder. Dazu gehören leider auch Diskriminierung, Verbreitung von Vorurteilen, Rechtsextremismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Hate Speech. Im Netz bildet sich online ab, was offline auch in der Gesellschaft gelebt wird. Die Parolen, die auf der Straße gerufen werden, finden sich also auch im Netz wieder.
Das freiheitlich-demokratische Wertesystem unseres Grundgesetzes kann und muss zwar auch extreme Meinungen aushalten, wenn dabei jedoch die Grenze zur Rechtswidrigkeit überschritten wird, braucht es klare Antworten des Rechtsstaates und unserer Zivilgesellschaft,t. Daher ist besondere Aufmerksamkeit geboten, wenn auf der Grundlage von Vorurteilen Meinungsbildungsprozesse im Netz ablaufen, Haltungen unreflektiert geteilt, geliked und weiterverbreitet werden und so Einfluss auf Sozialisationsprozesse von Jugendlichen und die gesellschaftliche Realität genommen wird.
Der Begriff des politischen Extremismus’ beschreibt grundlegend politische Positionen, Ideologien und Bestrebungen (an den Rändern des gesamten politischen Spektrums), die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten und damit verfassungsfeindlich sind. Eine abschließende Definition gibt es nicht, da die Sichtweisen je nach Perspektive von Wissenschaft oder Justiz verschieden sind.
Für Rechtsextremismus gibt es keine einfache Definition. Es existieren viele Untergruppierungen mit unterschiedlichen Ausrichtungen; die Begrifflichkeit ist in der Wissenschaft umstritten und wird zudem auch umgangssprachlich nicht eindeutig genutzt. Hier vermischen sich die Bezeichnungen Rechtsextremismus, Rechtsradikalismus und Rechtspopulismus, die zwar einen gemeinsamen (rechten) Kern haben, aber doch voneinander abgegrenzt werden müssen.
„Aus Anlass einer breit angelegten Bevölkerungs-Umfrage zum Thema bat die Friedrich-Ebert- Stiftung im Jahr 2006 elf führende Sozialwissenschaftler, sich auf eine Beschreibung zu einigen. […] ‚Der Rechtsextremismus ist ein Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen darstellen. Diese äußern sich im politischen Bereich in der Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, chauvinistischen Einstellungen und einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Nationalsozialismus. Im sozialen Bereich sind sie gekennzeichnet durch antisemitische, fremdenfeindliche und sozialdarwinistische Einstellungen.’
Rechtsextremistisches Denken ist also eine Kombination von verschiedenen, inhumanen Einstellungen, beispielsweise Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus, von Sexismus (Diskriminierung aufgrund des Geschlechts), Autoritarismus (Befürwortung einer Diktatur) und Chauvinismus (der Glaube an die Überlegenheit der eigenen Gruppe). Rechtsextremisten meinen zum Beispiel, dass die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer ethnischen Gruppe von größter Bedeutung für ihn ist, dass jede und jeder seine Fähigkeiten, sein Verhalten, sein Denken vorbestimmt. Völkische Rechtsextremisten – beispielsweise in der NPD – fordern explizit, dass jeder Einzelne sich und seine Interessen dem Kollektiv („der Volksgemeinschaft“) unterzuordnen hat. Oft beziehen sie sich positiv auf den Nationalsozialismus, dessen Verbrechen sie dabei relativieren.“[3]
Rechtspopulismus ist eine politische Strategie, die autoritäre Vorstellungen vertritt und bei der durchaus thematische Nähe zum Rechtsextremismus gegeben sein kann. Rechtsradikalismus dagegen beschreibt eine radikale politische Haltung, die allerdings nicht verfassungsfeindlich ist.
Die Strategien, Rechtsextremismus online zu verbreiten, sind komplex. Das Netz bietet leichten Zugang zu rechtsextremen Inhalten, und die Schnelligkeit, die Reichweite, die Viralität und die interaktiven Mittel des Web 2.0 geben viele Anknüpfmöglichkeiten, insbesondere an eine jugendliche Zielgruppe.
Die Spannbreite reicht von der Kontaktaufnahme über die Bekanntmachung von Propagandaseiten mit Verlinkungen und Weiterleitungen bis hin zur Rekrutierung von Jugendlichen in Sozialen Netzwerken. Teilen, liken, kommentieren sind einfache Wege, mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Auch wenn die Ansprachehaltung dabei mehr oder weniger offen rechtsextrem ist, handelt sich nicht immer um rechtswidrige oder verfassungsfeindliche Inhalte.
Rechte Rhetorik bedient unterschiedlichste Themen und Argumentations-Taktiken, wie z.B. die Emotionalisierung von Inhalten. Das können Diskussionen zu aktuellen Ereignissen, zu vorgeblich unpolitischen Themen, zu Verschwörungstheorien oder zu Zukunftsängsten sein – sie knüpfen an die Lebenswelten von Jugendlichen an und argumentieren mit angeblichen wissenschaftlichen Studien, um seriös zu wirken.
Der Austausch von Meinungen und Alltagserfahrungen solidarisiert die Jugendlichen mit den Anwerber_innen, problematische (Propaganda-)Inhalte werden mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit verbreitet. Es entstehen soziale Beziehungen, die ausgebaut und stabilisiert werden können, und über die Einfluss auf die Einstellung der Jugendlichen genommen werden kann. Soziale Netzwerke werden aber gleichermaßen genutzt, um Gegner_innen einzuschüchtern oder abzuwerten und Hetzkampagnen zu starten (siehe Modul 4: Hate Speech).
Musik, Videos und Bilder im Netz können ebenso zur Verbreitung rechtsextremer Botschaften dienen. Neben Webseiten mit offensichtlichen, leicht erkennbar menschenverachtenden Inhalten, gibt es Seiten, die erst einzuordnen sind durch die Entschlüsselung rechter Erkennungszeichen oder Codes, die von Zahlenkombinationen über Symbole bis hin zu Wortschöpfungen reichen (siehe Materialblatt_Demokratie_06). Das Erscheinungsbild ist häufig jugendaffin aufbereitet und greift popkulturelle Motive auf.
Humor als Verpackungsmittel für Ideologien stellt ein besonderes Feld dar. Rassistische Witze, Bilder und Sprüche werden auch unter dem Label der Satire verbreitet, was nicht immer leicht abzugrenzen ist und allzu leicht zur Verharmlosung der Ideologien beitragen kann.
Ergänzend dienen die Interaktionsmöglichkeiten in Sozialen Netzwerken als schnelles und einfaches Kommunikationsmittel, um Verabredungen für regionale Aktionen und Kampagnen zu treffen.
Mit dem Begriff „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ hat eine Forschungsgruppe um die Professoren Wilhelm Heitmeyer und Andreas Zick (vom Institut für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld) „unterschiedliche Ideologien der Ungleichwertigkeit zusammengefasst: Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Homophobie, Islamfeindlichkeit, Sexismus, Etabliertenvorrechte (d.h., dass diejenigen, die zuerst da sind, mehr Rechte haben sollen als später Hinzugekommene) sowie die Abwertung von Obdachlosen, von Behinderten und von Arbeitslosen.“[4]
Menschen werden nicht als individuelle Persönlichkeiten wahrgenommen, sondern als Teil einer Gruppe betrachtet. Im Zentrum der Ideologie der Ungleichwertigkeit steht die Absicht, soziale Ungleichheiten zu konstruieren und damit einhergehend die Abwertung, Diskriminierung und Schädigung bestimmter Gruppen, die als „anders“, „fremd“ oder „nicht zugehörig“ empfunden werden.
Dabei hat die Abwertung von Gruppen (Outgroup, Fremdgruppe) die Funktion der Selbstaufwertung bzw. Bevorzugung der Gruppe, der man sich selbst zugehörig fühlt (Ingroup, Eigengruppe, Referenzgruppe).[5]
Die Konstruktion der Gruppen kann auf unterschiedlichsten Zuordnungen basieren: unveränderlichen Merkmalen wie Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit; Behauptung vermeintlicher Normabweichung bzw. Andersartigkeit oder sozialer Zuschreibungen, gestützt auf Vorurteile und Stereotypen, die immer dazu dienen, Menschen als ungleich zu bewerten.
Zudem können Mehrfachdiskriminierung und Intersektionalität, also die Überschneidung mehrerer Anknüpfungspunkte für Diskriminierung, auftreten, da eine soziale Zuordnung immer mehrere Dimensionen hat, d.h. eine einzelne Person kann mehreren Gruppierungen in unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden. Die verschiedenen Diskriminierungsarten werden dann nicht allein zusammengezählt, sondern führen zu einer eigenen spezifischen Diskriminierungsform.
„Eine Langzeituntersuchung der Forschungsgruppe aus den Jahren 2002 bis 2012 zeigt, dass Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen eng miteinander verknüpft sind. Ein Vorurteil kommt niemals allein: Wer beispielsweise feindlich gegenüber Jüdinnen und Juden eingestellt ist, lehnt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Schwule und Lesben ab.“[6]
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit kann mehrere Ursachen und Funktionen haben. Gesellschaftliche Faktoren können dabei ebenso eine Rolle spielen, wie die individuelle Positionierung.
Zu den Erklärungsansätzen zählen u. a. die persönliche Einschätzung des eigenen gesellschaftlichen Status, seiner Stabilität sowie die Qualität und Eingebundenheit in Beziehungen und gesellschaftliche Teilhabe. Dazu gehört die Suche nach Sicherheit, Anerkennung und Gemeinschaft genauso wie die Sicherung von Hierarchien und Machtpositionen.
Menschenfeindliche Tendenzen können also im Umkehrschluss aus dem Mangel an Anerkennung, Teilhabe und Stabilität entstehen, unabhängig davon ob sie objektiv erlebt oder subjektiv empfunden werden. Steigen z.B. in ökonomischen Krisenzeiten Konkurrenzdruck und Abstiegsangst, kann mit Diskreditierung bzw. Abgrenzung und Abwertung von sozial schwächeren Gruppen reagiert werden, um die eigene angebliche soziale und moralische Überlegenheit zu demonstrieren.
Ein niedriges Bildungsniveau, wenige interkulturelle Kontakte und damit geringe Austauschmöglichkeiten, die einen Perspektivwechsel zulassen, können die Anfälligkeit für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit vergrößern. Ein anderer Weg die eigene Position zu Lasten anderer zu stützen, kann ein Solidaritätsentzug mit Schwächeren sein. Als weitere mögliche Faktoren gelten Nationalismus und übersteigerter Patriotismus.
Allerdings ist auch in höheren Bildungs- und Einkommensschichten eine zunehmende Tendenz zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu beobachten, die mit einer wachsenden Ökonomisierung der Gesellschaft verbunden ist. „Ökonomisierung der Gesellschaft“ meint in diesem Zusammenhang die Bewertung von Menschen nach ökonomischen Nützlichkeitskriterien, nicht die von ökonomischen Institutionen. Menschenfeindlichkeit zeigt sich hier in der Einordnung in Gewinner und Verlierer, geht einher mit der Befürwortung sozialer Ungleichheit, Konkurrenzkampf und der Aufteilung in gesellschaftlich nützlich oder nutzlos aus der Perspektive der Stärkeren.[7]
Soziale Netzwerke, Kommentarfunktionen, Webseiten, direkte Ansprachen per Mail, Shitstorms (=lawinenartiges Auftreten negativer Kritik in Sozialen Netzwerken) – das Netz bietet mit seinen Beteiligungsformen verschiedene Möglichkeiten, Vorurteile und Hate Speech zu verbreiten. Dabei ist Hate Speech nicht leicht und eindeutig zu definieren.
„Hassrede (Hate Speech) ist kein sprachwissenschaftlicher, sondern ein politischer Begriff mit mehr oder weniger starken Bezügen zu juristischen Tatbeständen. In Deutschland ist der juristische Bezugspunkt der Tatbestand der Volksverhetzung, der dann erfüllt ist, wenn jemand ‚in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 1. zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet’(§ 130 Abs. 1 StGB). Die im europäischen Zusammenhang relevante politische Dimension von Hassrede liest sich sehr ähnlich: Sie fasst unter diesem Begriff ‚alle Ausdrucksformen, die Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder andere Formen [von] auf Intoleranz beruhendem Hass verbreiten, dazu anstiften, sie fördern oder rechtfertigen; einschließlich von Intoleranz, die sich in aggressivem Nationalismus und Ethnozentrismus, der Diskriminierung und Feindseligkeit gegenüber Minderheiten, Migrant_innen und Menschen mit Migrationshintergrund äußert (Ministerkomitee des Europarats, Empfehlung R (97) 20, 30.10.1997, meine Übersetzung).’“[8]
Hate Speech kann also in unterschiedlichen Erscheinungsformen auftreten und muss immer im jeweiligen Kontext gedeutet werden. Das kann es schwierig machen, sie sofort zu erkennen, da je nach Thematik Hintergrundwissen zu entsprechenden politischen und historischen Bezügen benötigt wird.
Einzelne Begrifflichkeiten können aus unterschiedlichen Perspektiven sozialer und gesellschaftlicher Position verschieden interpretiert und bewertet werden. Individuelle Beleidigungen können mit Hate Speech verknüpft sein. Hate Speech kann emotional und rational formuliert sein.
Es gibt übergreifende Merkmale, die bei der Einordnung helfen:
Hate Speech kann implizit, direkt und indirekt sein (siehe Materialblatt_Demokratie_16). Hate Speech wird gezielt von sogenannten Hate Groups genutzt. Diese sind Zusammenschlüsse von Menschen, die im Netz gegen einzelne Personen insbesondere gegen Aktivist_innen vorgehen. Dazu nutzen sie das gesamte Spektrum von Hate Speech und arbeiten oft organisiert und strategisch, um den jeweiligen Personen und ihren Zielen mit Angriffen zu schaden bzw. sie langfristig verstummen zu lassen („Silencing“). Der Aufbau von Hate Groups kann nach dem folgenden Muster ablaufen: Zunächst werden durch die Verbreitung von Verleumdungen und Falschinformationen Unterstützer_innen rekrutiert, die sich aus unterschiedlichsten Gründen von den Zielen der Aktivist_innen bedroht fühlen und in der Hate Group Akzeptanz und Zustimmung finden. Im Anschluss werden Feindbilder geschaffen und persönliche Informationen der Aktivist_innen zusammengetragen, um sie dann gezielt durch Abwertungen, Drohungen oder Angriffe zu verletzen, zu schwächen und zur Aufgabe ihres Engagements zu bewegen.[9]
Nicht nur Jugendliche müssen immer wieder neu für diese Themen sensibilisiert werden.
Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft müssen ihre Positionen fortwährend überprüfen und ihre Handlungsmöglichkeiten einsetzen, um konstruktiv Gegenwehr zu leisten. Das kann von individueller Gegenrede und Solidarisierung mit Betroffenen über klare Regeln und Kontrollen in Onlineangeboten bis hin zur Anwendung juristischer Mittel reichen.
Information und Aufklärung auf breiter Basis sind wirksame Mittel zur Stärkung demokratischer Kultur. Die aktuellen Entwicklungen müssen beobachtet und die Debatten weitergeführt werden, um eine zeitgemäße Auseinandersetzung zur erfolgreichen Entwicklung von Gegenstrategien zu ermöglichen.
Ein zunehmender Rechtsextremismus bzw. rechtsextremes Gedankengut in der Gesellschaft, spiegelt sich auch in sozialen Netzwerken und Internetdiensten wieder. Dabei wird oft versucht, speziell jugendliche Nutzer_innen zu erreichen bzw. anzuwerben sowie rechte Ideologien insbesondere durch Hate Speech zu verbreiten. Die Beiträge reichen von antidemokratischer und rassistischer Hetze bis hin zum Aufruf zur Gewalt. Vergleicht man die Zahlen im Jahresbericht „Rechtsextremismus online“ von jugendschutz.net, zeigt sich, dass Websites im Gegensatz zu Sozialen Netzwerken zur Verbreitung rechtsextremer Inhalte weniger bedeutend sind. Sowohl die Gesamtanzahl der Webseiten als auch die Anzahl der dort gezählten Verstöße ist deutlich niedriger als in Sozialen Netzwerken und Internetdiensten.
„2014 sichtete jugendschutz.net über 6.000 rechtsextreme Websites (1.417) und Social-Web-Inhalte (4.755 Profile, Channels und Einzelbeitrage). Etwa jedes dritte Angebot (27 %, 1.693) wurde als unzulässig eingestuft. Dabei spielten die in Deutschland gehosteten Angebote die geringste Rolle: Nur 7 % der Verstöße wurden über inländische Dienste oder Server verbreitet.
Während nur noch etwa 125 Websites Verstöße enthielten, dokumentierte jugendschutz.net im Social Web (größtenteils Facebook, YouTube, Twitter und VK) insgesamt 1.568 unzulässige Angebote (2013: 1.602).
Bei den Verstößen handelte es sich in 89 % der Fälle (2013: 88 %) gleichzeitig um Straftatbestände, d.h. die Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (66 %), Volksverhetzung (11 %) oder die Leugnung des Holocaust (12 %). Der Anteil an jugendgefährdenden Angeboten lag bei 11% (2013: 12 %).
In 65 % der 1.693 Fälle fand jugendschutz.net Ansatzpunkte für Löschaktivitäten und erreichte auf diese Weise die Entfernung von 640 rechtsextremen Webangeboten (Erfolgsquote: 58 %). Der direkte Kontakt zu Internetanbietern blieb das effektivste Mittel – 95 % der Erfolge wurden auf diesem Weg erzielt.“[10]
[1] DIVSI 2014, S. 63.
[2] Hamm, Ingrid: Grußwort. In: Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.) (o.A.): no-nazi.net. Digitale Handlungsstrategien gegen Rechtsextremismus. Berlin, S. 4. URL: www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/no_nazi_net_digitale_handlungsstrategien.pdf
[3] Netz-gegen-Nazis.de: Was ist Rechtsextremismus? URL: www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/was-ist-rechtsextremismus-0 (Artikel vom 07.04.2008)
[4] Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. In: Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.) (o.A.): Antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit. Ein Glossar. Berlin, S. 21. URL: www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/juan-faecher.pdf
[5] vgl. Zick, Andreas: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aus Sicht der Wissenschaft. In: Amadeu Antonio Stiftung 2006, S. 6. URL: www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/broschuere_gmf_2.pdf
[6] Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. In: Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.) (o.A.): Antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit. Ein Glossar. Berlin, S. 21. URL: www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/juan-faecher.pdf
[7] vgl. Groß, Eva; Zick, Andreas; Krause, Daniela (2012): Von der Ungleichwertigkeit zur Ungleichheit: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. In: APuZ 16-17/2012, S. 11-18. URL: www.bpb.de/apuz/130404/von-der-ungleichwertigkeit-zur-ungleichheit-gruppenbezogene-menschenfeindlichkeit?p=all
[8] Stefanowitsch, Anatol: Was ist überhaupt Hate Speech? In: Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.) (o.A.): „Geh sterben!“ Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet. Berlin, S. 11. URL: www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/hatespeech.pdf
[9] vgl. Banaszczuk, Yasmina: Strategien und Typologisierung von Hate Groups. In: Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.) (o.A.): „Geh sterben!“ Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet. Berlin, S. 18. URL: www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/hatespeech.pdf
[10] jugendschutz.net (Hrsg.) (2015): Rechtsextremismus online beobachten und nachhaltig bekämpfen. Bericht über Maßnahmen und Recherchen im Jahr 2014. Mainz, S. 13-14. URL: www.hass-im-netz.info/fileadmin/dateien/PM2015/bericht2014.pdf