Eckdaten
Ziel des Projekts: |
Programmieren lernen mit dem Raspberry Pi mit spannenden und leicht nachvollziehbaren Aufgaben |
verwendete Technologien
und Werkzeuge: |
Raspberry Pi inkl. Camera-Board
LEDs
Taster und einige Jumper-Kabeln |
Altersgruppe der Teilnehmenden: |
13-15 Jahre (7. und 8. Klasse) |
Kontext der Umsetzung: |
außerunterrichtliche Veranstaltung an einem Gymnasium |
Zeitrahmen: |
1 Nacht (von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang) |
Projektbeschreibung
An Englands Schulen ist er allgegenwärtig, in Deutschland noch weitgehend unbekannt: Der Raspberry Pi – ein nur ca. 35 Euro teurer Mini-Computer, der extra für Schulen von einer gemeinnützigen Institution entwickelt wurde und (nach über 5 Millionen verkauften Exemplaren) eine riesige Fangemeinde auf der ganzen Welt hat. Als vor zwei Jahren am St.-Georg-Gymnasium in Bocholt ein neues Konzept für die Computer-AG gesucht wurde, gaben wir dem Mini-PC eine Chance, kauften 10 Raspberry Pi samt Zubehör und probierten aus, was sich mit der etwa scheckkartengroßen Platine alles anstellen lässt. Schnell zeigte sich, dass der Pi ein nahezu ideales Werkzeug für Schulen ist: Er lässt sich an jeden beliebigen Monitor oder Fernseher anschließen, verbraucht kaum Strom und läuft komplett mit Open-Source-Software. Das Wichtigste ist jedoch, dass man ihm mit wenigen Zeilen Code und dem Anschluss weiterer elektronischer Bauteile Dinge beibringen kann, von denen Tablets und Smartphones nur träumen können. Mittlerweile gibt es unzählige Bastelanleitungen und Programme, etwa zum Bau eines WLAN-Radios, einer Wetterstation oder sogar eines persönliches Cloud-Servers.
Nicht nur Bastler, auch Lehrkräfte tauschen im Internet ihre Ideen aus, daher gibt es auch zu unserer Raspberry Pi-AG eine umfangreiche Materialsammlung mit Stundenverläufen und Arbeitsblättern kostenfrei im Internet. Zur besseren Verständlichkeit der manchmal nicht ganz leichten Löt- und Bastelarbeiten ist zudem in Kooperation mit dem Rheinwerk-Verlag ein Video-Training produziert worden, das anschaulich zeigt, wie man etwa mit „Scratch“ und „Minecraft“ programmieren lernen kann oder wie man eine eigene Spielekonsole mit dem Pi baut.
Durch den Gewinn des „Code Week Award“ (ausgeschrieben von der Technologiestiftung Berlin in Kooperation mit dem Design Research Lab der Universität der Künste Berlin) bekamen wir schließlich die Möglichkeit, eine größere Veranstaltung auszurichten: die „Lange Coding-Nacht“, zu der sich über 80 Jugendliche der 7. und 8. Klassen anmeldeten. Alle Teilnehmer*innnen bekamen einen Raspberry Pi und hatten an 12 verschiedenen Stationen die Möglichkeit, kreativ tätig zu werden.
Das Ziel der Veranstaltung bestand darin, in Schüler*innen an einem Abend die Begeisterung fürs Programmieren und das Basteln mit Elektronik zu wecken. Dafür haben wir einige besonders einfache, aber gleichzeitig faszinierende Projekte mit dem Raspberry Pi ausgewählt, die wir bereits zuvor ausgiebig in der AG ausgetestet haben. Für jedes Projekt wurde eine kleine Station im Selbstlernzentrum unserer Schule aufgebaut.
Ein solches Projekt war z.B. der Bau eines eigenen Mini-Controllers mit einem Überraschungsei, in das eine LED und eine Taste eingebaut wird. Das fertige Steuerungsgerät lässt sich mit vier Kabeln an den GPIO-Port („General Purpose Input Output“) des Raspberry Pi anschließen. An einer weiteren Station konnte das „Camera Board“ für den Raspberry Pi ausprobiert werden. Hierbei handelt es sich um eine Platine mit einer 5-Megapixel-Kamera, die sich für eigene Bastel-Projekte verwenden lässt. An anderen Stationen konnte das Programmieren mit dem Spiel Minecraft ausgetestet oder eine Hülle aus Pappe für den Raspberry Pi gebaut werden.
Alle Teilnehmer*innen erhielten einen Beutel mit einem Raspberry Pi inkl. SD-Karte, einen elektronischen Würfel als Lötset, ein Überraschungsei mit Taster, LED, Widerstand und Jumper-Kabeln sowie eine gedruckte und gebundene Anleitung und ein Bastelset für eine Hülle. All dies durften die Schüler*innen im Anschluss an die Veranstaltung behalten.
Zuvor wurde in den Klassen der Jahrgangsstufen 8 und 9 an unserer Schule mit gedruckten Flyern sowie im Internet Werbung für die Veranstaltung gemacht. Die Mühe zahlte sich aus: Ursprünglich rechneten wir mit 30-40 Anmeldungen für die Coding-Nacht, schließlich meldeten sich jedoch über 80 Kinder an, darunter ein Drittel Mädchen. Wir haben für die Umsetzung des Projekts viel Unterstützung erfahren, etwa von dem Bundestagsabgeordneten Sven Volmering (CDU), der vor seiner politischen Karriere an unserer Schule unterrichtete und spontan zusagte, einen Vortrag über seine Arbeit als Berichterstatter für digitale Bildung im Bundestag zu halten. Auch der IT-Security-Experte Friedhelm Düsterhöft hat uns geholfen und in einer Live-Demonstration gezeigt, wie er in seiner täglichen Arbeit Hacking-Tools verwendet, um die Computer seiner Auftraggeber sicherer zu machen. Einen weiteren Vortrag hielt Marie-Luise Schade von den Organisatoren des „Code Week Award“. Sie berichtete, dass Deutschland in Bezug auf Veranstaltungen für die „Code Week“ noch einiges nachzuholen hätte: Während es 2013 in Irland bereits über 500 Events gab, bei denen Kinder das Programmieren lernen, waren es in Deutschland nur etwas mehr als 60.
Der Computer ist das kreativste Medium aller Zeiten, doch Kinder und Jugendliche sind zumeist nur Konsumenten der digitalen Medien und nicht in der Lage, die Rechenpower moderner Computersysteme für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. England zeigt, wie man es besser macht: „Computer Science“ ist dort mittlerweile ein Pflichtfach für alle Jahrgänge, dadurch sind die Schüler*innen bestens für die digitale Zukunft gewappnet. Die BBC entwickelte jüngst einen eigenen Mini-Computer und verschenkte ihn an alle Schüler*innen auf der Insel.
Dass ausgerechnet im Technologieland Deutschland die Kinder an vielen Schulen noch immer fast vollständig analog bis zum Abschluss geführt werden, ist vor diesem Hintergrund ein regelrechter Skandal. Der Raspberry Pi ist das ideale Werkzeug, um dies zu ändern und zu zeigen, dass der Umgang mit Computern und das Programmieren Spaß machen und eine ganz neue Welt eröffnen können.
Reflexion
Wie sich im Nachhinein zeigte, war die Konzeption der einzelnen Stationen unterschiedlich gut gelungen. Der Bau der Papp-Hülle nahm z.B. zu viel Zeit in Anspruch. Beim Einkauf der Materialien sollte nicht an der falschen Stelle gespart werden: Die günstig angeschafften Lötkolben (unter 10 Euro inkl. Zubehör) waren nahezu unbrauchbar. Das übergeordnete Konzept der „Coding-Nacht“ war jedoch ein voller Erfolg, weil die Schüler*innen viel Zeit hatten, um an den jeweiligen Stationen zu arbeiten und ihren persönlichen Interessen nachzugehen. Einige beschäftigten sich v.a. mit dem Programmieren von Minecraft, andere wiederum gestalteten ein umfangreiches Spiel mit Scratch.
Empfehlungen
Bei der Arbeit mit Kindern kommt der didaktischen Vermittlung von Programmierkenntnissen eine besondere Bedeutung zu. Wir haben daher viel Wert auf optisch ansprechende und leicht nachvollziehbare Materialien gelegt. Die selbst geschriebenen Programme und Anleitungen kann man gar nicht oft genug lesen, denn bereits ein falsch gesetztes Komma kann dafür sorgen, dass das Programm nicht funktioniert. Unsere Veranstaltung hat in hohem Maße von den eingeladenen Experten profitiert, die aus erster Hand berichteten, wie wichtig Programmierkenntnisse sind und warum sie notwendig sind, um unsere moderne, digitalisierte Welt verstehen zu können.
Autor
Tobias Hübner setzt sich als Lehrer, Trainer und Autor dafür ein, dass Kinder Medien nicht nur konsumieren, sondern verstehen und für ihre Zwecke nutzen können. Getreu dem Motto „Program Or Be Programmed“ nutzt er den Minicomputer Raspberry Pi in der Schule, um mit Minecraft, Scratch und jeder Menge Kabeln und LEDs die Lust am Programmieren und Löten zu wecken.
medienistik.wordpress.com